Liebe Leserin, lieber Leser!
Das Korn ist weitgehend einholt, meine Apfelbäume hängen brechend voll, Birnen, Quitten, Pflaumen, Tomaten, Zucchini, Bohnen – was für eine reiche Ernte in diesem Jahr! Morgen gehen wir als Familie zusammen mit Freunden auf den Kartoffelacker und ernten die Reihe Kartoffeln, die wir „gebucht“ haben. Die Bäuerin meinte, wir könnten mit zehn Zentnern rechnen… Ja, eine Menge Arbeit ist mit einer üppigen Ernte verbunden! Aber die Freude und Dankbarkeit über die schönen und wohlschmeckenden Früchte wiegt deutlich mehr als der Aufwand.
Das sehen durchaus nicht alle Menschen gleich. Vermutlich sind auch Sie in den vergangenen Wochen an etlichen Bäumen vorbeigekommen, deren Früchte niemand ernten wollte. Mir blutet dabei immer das Herz und ich kann nicht wirklich verstehen, warum die reifen Äpfel, Zwetschgen und Birnen nicht geerntet und verwertet werden. Fehlt die Zeit zum Ernten? Ist die Arbeit zu beschwerlich? Lohnt sich die Ernte wirtschaftlich nicht?
Ich frage mich, ob die verschmähten Früchte ein Stück weit auch als ein Zeichen der Übersättigung unserer Gesellschaft gesehen werden können? Obst und Gemüse stehen uns das ganze Jahr über im Überfluss zur Verfügung. Da ist halt ein reifer, saftiger, roter Apfel nichts Besonderes mehr, wenn ich ihn bei jedem Einkauf für ein paar Euro mitnehmen kann, ohne mich dafür auch nur ein einziges Mal bücken zu müssen.
Ich werde in diesem Jahr von Herzen Erntedank feiern! Mir schmecken die selbst angebauten und geernteten Sachen viel besser als das ganze in Gewächshäusern hergestellte Zeug. Und ich danke meinem Schöpfer, dass in diesem Jahr nicht der Frost in die Blüte gefahren ist. Ich werde für die Kinder Apfelsaft keltern und ein Fässchen Apfelwein vergären lassen. Und bei jedem Schluck dürfen wir schmecken, dass Gott es gut mit uns meint, dass er alles wachsen lässt, um uns an Leib und Seele zu nähren und zu erfreuen.
Ulrich Emge